Seit dem 11.05.2019 ist das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) in Kraft getreten und wirkt sich seit dem 01.09.2019 auch auf unsere Chirurgische Praxis aus. Ganz besonders betreffen die Änderungen den Aufgabenbereich von unserer Praxismanagerin, Peggy Füssel, denn die bisher perfekte Planung und Durchführung der Termine in unserer Praxis ist ihr Verdienst.
Ihre Meinung zum Terminservice- und Versorgungsgesetz ist daher umso interessanter:
Was sind die Ziele des Terminservice- und Versorgungsgesetzes?
Es ist das bisher umfangreichste Projekt des Bundesgesundheitsministers Jens Spahn. Kernziele des TSVG sind eine schnellere Terminvergabe für gesetzlich Versicherte und die Verbesserung der Versorgung in ländlich geprägten Regionen.
Sogenannte Terminservicestellen sollen Patienten künftig besser bei der Suche nach einem Arzttermin unterstützen, indem sie rund um die Uhr unter der Telefonnummer 116 117 erreichbar sind.
Das Gesetz nimmt jedoch auch die Ärztinnen und Ärzte stärker in die Pflicht. Diese müssen ihre Sprechzeiten für Kassenpatienten von 20 auf 25 Stunden in der Woche anheben. Fachärzte sind zudem angehalten, wöchentlich mindestens für fünf Stunden eine offene Sprechstunde anzubieten. Bei dem Konzept der offenen Sprechstunde wird ein bestimmter Zeitraum festgelegt, in dem die Patienten in der Praxis untersucht oder behandelt werden, ohne dass vorher ein Termin vereinbart wurde.
Wie greift das Gesetz in unseren bisherigen Praxisablauf ein?
Seit Eröffnung der Praxis am 01.04.2018 arbeite ich als Praxismanagerin für meinen Chef, Herrn Tillger und unsere Patienten. Somit zählen die Praxisorganisation, das Terminmanagement und Behandlungskoordination zu meinen Aufgaben. Als rechte Hand des Chefs sind mir reibungslose praxisorganisatorische und administrative Abläufe wichtig, denn sie tragen entscheidend zur Patientenzufriedenheit bei. Wir haben eine gut funktionierende Praxis, die ausschließlich Sprechstunden nach Terminvereinbarung anbietet. Unsere Wartezeiten sind sehr kurz, wofür wir von unseren Patienten immer wieder Lob und positives Feedback bekommen. Auch echte Notfälle können in unserer Praxis kurzfristig und schnell eingeplant werden.
Eine offene Sprechstunde halte ich daher nicht für notwendig, denn dadurch würde unsere bisher gute Organisation durcheinandergeraten. Eine unplanbare offene Sprechstunde führt zu einer völlig unzufriedenen Ergebnislage und einer unzureichenden Versorgung. Kommen wenige Patienten, hätten in diesem Zeitraum mehr Patienten mit Termin behandelt werden können. Wenn zu viele Patienten kommen, leidet die Qualität der Arbeit, weil wir uns in der Praxis nicht mehr die bei uns sonst übliche Zeit für jeden Patienten nehmen können. Diese Unkalkulierbarkeit ist ein großer Nachteil dieses Konzepts und wird nicht die aktuellen Probleme in der ambulanten Versorgung lösen.
Für einen Großteil der Menschen wird in anderen Berufszweigen – wie selbstverständlich – sogar gewerkschaftlich gekämpft, um die Arbeitssituation zu verbessern. Warum trifft genau das Gegenteil im medizinischen Bereich zu?
In unserem Praxiskonzept steht das Wohl des Patienten im Mittelpunkt. Diese Philosophie leben wir nach bestem Wissen und Gewissen. Eine offene, also nicht planbare Sprechstunde, bedeutet Stress für alle Beteiligten.
Ist das Terminservice- und Versorgungsgesetz ein sinnvolles Gesetz?
Ist diese vom Gesetzgeber vorgeschriebene Maßnahme also sinnvoll? Ich sage NEIN! Für mich stellt sie einen schwerwiegenden Eingriff in die medizinische Selbstverwaltung dar und ist ein Angriff auf die Freiberuflichkeit meines Chefs. Wie Lars Lindemann, Hauptgeschäftsführer des Spitzenverbands Fachärzte Deutschland, nach Gesetzesbeschluss kommentierte: “Direkte Durchgriffsregelungen auf das Praxismanagement […] nehmen die notwendigen Freiräume zur Organisation einer patientenorientierten hochwertigen Versorgung.”
Kann eine externe Terminservicestelle über Behandlungsbedarf und Dringlichkeit entscheiden?
Auch hier sage ich NEIN! Denn fremdbestimmte Termine von außen schränken die freie Arztwahl ein. Das Verhältnis zwischen Patient und Arzt wird unpersönlich und gut aufeinander abgestimmte Organisationsprozesse in der Praxis werden gestört. Das Ergebnis wird sein: Der Patient wartet länger statt kürzer. Und das kann doch nicht Ziel einer modernen Patientenversorgung sein?
Lieber Herr Spahn,…
Lieber Herr Spahn und alle weit vom Geschehen entfernten Entscheidungsträger,
ich lade Sie alle herzlich zu einem Besuch in unserer Praxis ein, um die realen Abläufe unseres Alltags kennenzulernen. Ich zeige Ihnen gerne, wie gut ein strukturiertes Praxisleben, gefüllt mit zufriedenen Patienten, auch ohne staatliche Zwänge funktionieren kann. Vielleicht können Sie dann verstehen, warum es mir so wichtig ist, selbstständig über die Organisation unserer Praxis mitzubestimmen. Ich möchte vor allem weiterhin eigenständig Termine nach Dringlichkeit vergeben, denn auch dies ist ein Teil meiner Aufgabe als Praxismanagerin.