Vor Operationen wird meistens eine Blutuntersuchung bei Patienten durchgeführt. Dieser Beitrag soll Ihnen die Hintergründe der aktuellen Vorgehensweise in der Chirurgie erklären. Grundlage dieser Zusammenfassung ist der Artikel „SOP Indikationen zu präoperativen Laboruntersuchungen“ von Prof. Dr. med. Wolfgang Schwenk, der in der Fachzeitschrift Allgemein – und Viszeralchirurgie up2date vom Juni 2018 von thieme erschienen ist.
Wieso werden Laboruntersuchungen vor Operationen durchgeführt?
Laborwerte, die außerhalb des normalen Wertebereichs liegen, können ein Hinweis auf eine Organerkrankung sein. Dabei kann ein Wert bei einer zufälligen Bestimmung als erhöht erkannt werden. Ein Wert kann aber auch gezielt nach einem auffälligen Untersuchungsbefund überprüft werden. Bei bekannten Organerkrankungen kann ein Laborwert helfen, den Schweregrad der Erkrankung abzuschätzen.
Welches Vorgehen gilt als überholt?
- Ein Laborscreening möglichst vieler Laborwerte wird nicht empfohlen. Die Wahrscheinlichkeit sei groß, dass dabei Werte auffällig werden, die aber nicht auf einer Organerkrankung beruhen.
- Insbesondere die Routine-Laborwerte der Gerinnung erfassen nicht die häufigsten Störungen der Gerinnung.
Welches Vorgehen ist derzeit sinnvoll?
Risikoabschätzung Organerkrankung
Befragung (Anamnese) und körperliche Untersuchung
Die ausführliche Befragung über die typischen Beschwerden, die bei den jeweiligen Organerkrankungen auftreten, geben zusammen mit dem Ergebnis einer gründlichen körperlichen Untersuchung den entscheidenden Hinweis auf eine Organerkrankung.
Bleibt das Ergebnis der Befragung und der körperlichen Untersuchung unauffällig, soll keine Laboruntersuchung nachfolgen.
Vorgehen bei bekannter Organerkrankung
Bei bekannter Organerkrankung kann die Bestimmung gezielter Laborwerte helfen, das Operationsrisiko zu einzuschätzen. Die Antwort auf die Frage, welche Laborwerte bestimmt werden sollen, ist dabei wissenschaftlich noch nicht gut ersichtlich.
Bei allen Organerkrankungen, vor allem sind das Erkrankungen der Leber, Herz/Lunge, Niere und des Blutes selbst, sollte ein kleines Blutbild angefertigt werden, zusätzlich die Mineralstoffe Natrium, Kalium und das Stoffwechselprodukt Kreatinin.
Nur bei Lebererkrankungen sollten noch spezifische Blutwerte bestimmt werden. Es handelt sich dabei um ein wichtiges Leberenzym, ein Blutfarbstoffabbauprodukt und zwei Marker der verschiedenen Blutgerinnungspfade (GOT, Bilirubin, aPTT, INR). Damit kann abgeschätzt werden, inwieweit eine Funktionsstörung der Leber besteht.
Gibt es einzelne Operationen, bei denen die Bestimmung spezifischer Werte sinnvoll ist?
Gallenblasenentfernung
Soll die Gallenblase entfernt werden, wird empfohlen, die Laborwerte zu bestimmen, die ansteigen, wenn ein Stau des Gallensafts in den Gängen vorliegt. Dies ist oftmals so, wenn ein bisher unerkanntes Gallensteinchen einen Gallengang verlegt. Bei diesen spezifisch zu bestimmenden Laborwerten handelt es sich um die so genannten Cholestaseparameter Alkalische Phosphatase und Bilirubin.
Tumoroperationen
Vor operativen Tumorentfernungen kann es sinnvoll sein, zum Vergleich die so genannten Tumormarker im Blut vor dem Eingriff zu kennen, um sie mit den Werten nach dem Eingriff vergleichen zu können. Für fast jeden Tumor gibt es einen oder mehrere spezifische Tumormarker.
Risikoabschätzung Blutung
Vor jeder Operation soll eine spezielle Befragung anhand eines standardisierten Fragebogens über Blutungsereignisse des Patienten erfolgen. Relevant sind hierbei die Antworten auf die Fragen nach Blutungen im Familienkreis, Nasenblutungen, nach Operationen oder verlängerter/verstärkter Regelblutung. Auch die Fragen nach dem häufigen Auftreten von blauen Flecken ohne richtigen Grund und speziellen Erkrankungen, die mit Gerinnungsstörungen zu tun haben, kommen darin vor.
Bleibt das Ergebnis der Befragung unauffällig, soll keine Laboruntersuchung nachfolgen.
Was sollte vor der Operation unternommen werden, wenn Blutungen in der Vorgeschichte aufgetreten sind?
Die Abklärung der Blutungen sollte dann Vorrang haben. Die fachärztliche Abklärung hat bei umschriebenen Blutungen Vorrang, z.B. die gynäkologische oder Hals-Nasen-Ohren-ärztliche Untersuchung.
Bei Nachblutungen sollten OP-Berichte und die Dokumentation der Nachbehandlung besorgt und analysiert werden.
Bei Blutungen, die keine bevorzugte Körperstelle betreffen, sollte eine spezifische Untersuchung des Gerinnungssystems durchgeführt werden. Dies umfasst die Werte aPTT, INR, Fibrinogen, Thrombozytenzahl und Thrombozytenfunktion.
Wieso ist ein Ausgangslabor bei der Anwendung einer Vorbeugungsbehandlung einer Thrombose (Thromboseprophylaxe) sinnvoll?
Wenn vor, während oder nach einer Operation Heparin oder heparinähnliche Substanzen zur Thromboseprophylaxe gegeben werden sollen, sollte die Thrombozytenzahl im Blut bestimmt werden. Thrombozyten sind Blutplättchen, die bei der Blutgerinnung aktiviert werden, dann untereinander zu einem Blutgerinnsel verkleben und so helfen, eine Blutung zu stoppen.
Heparin kann auf zwei verschieden Arten zu einem Abfall der Blutplättchen in 0,5 bis 5% aller Anwendungsfälle führen. Mit dem Abfall der Zahl der Blutplättchen steigt das Blutungsrisiko, daher muss die so genannte Heparin-induzierte-Thrombozytopenie (HIT) schnell erkannt und behandelt werden. Man bestimmt im Blut die Thrombozytenzahl und vergleicht sie mit dem Wert vor der Heparingabe. Liegt dieser um die Hälfte des gemessenen Wertes höher, liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine HIT vor. Daher ist es wichtig, den Ausgangswert zu kennen.
Wann ist bei organgesunden Patienten vor der Operation die Bestimmung der Zusammensetzung des Blutes bezüglich der roten und weißen Blutkörperchen (kleines Blutbild) sinnvoll?
Bei geplanten Operationen, die mit einem Blutungsrisiko von 10% oder mehr einhergehen, sollte vor der Operation ein kleines Blutbild angefertigt werden. Darin wird die Anzahl, Größe und Konzentration der roten Blutkörperchen ersichtlich. Man kann bei dadurch erkannter Blutarmut weitere Untersuchungen und eine Behandlung einleiten. Andererseits liegen so bei normalen Werten Vergleichswerte vor, anhand derer entschieden werden kann, ob nach tatsächlich eingetretener größerer Blutung während der OP eine Behandlung sinnvoll ist.
Quelle: Prof. Dr. med. Schwenk, Wolfgang (2018): SOP Indikationen zu präoperativen
Laboruntersuchungen, in: Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 12. Jg., Nr. 3, Seite 235-237.