Aktuelles Thema: Postoperative klinische Beurteilung auf der Normalstation

Es ist enorm wichtig nach Operationen zu erkennen, ob der Zustand des operierten Patienten normal ist oder ob ein Problem vorliegt. Das Feststellen des Unterschieds zwischen diesen beiden Zuständen ist für einen erfahrenen Chirurgen einfach, für Anfänger jedoch wesentlich schwieriger. Wenn möglich, sollte daher der operierende Chirurg selbst den Patienten noch am OP-Tag sehen. In jedem Fall ist ein strukturiertes Vorgehen sinnvoll.
Dieser Beitrag soll Ihnen die Hintergründe der aktuellen Vorgehensweise in der Chirurgie erklären. Grundlage dieser Zusammenfassung ist der Artikel „SOP Initiale postoperative klinische Beurteilung auf der Normalstation“ von Prof. Dr. med. Wolfgang Schwenk, der in der Fachzeitschrift Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date von thieme im August 2017 erschienen ist.
Die dargestellte Vorgehensweise betrifft Patienten, die sich kleinen oder mittelgroßen Operationen unterzogen haben.

Schrittweise durch Untersuchung und Gespräch

Die Standardoperationsprozedur (SOP) bei der Beurteilung von Patienten, die auf die Normalstation verlegt wurden, wird schrittweise durchlaufen. Sie enthält die Elemente Bewusstseinszustand, Vitalzeichen, Wundverhältnisse, Drainagebeurteilung und bei einer Operation im Bauchraum den abdominellen Untersuchungsbefund.
Beim ersten Kontakt mit dem Patienten steht das Gespräch im Mittelpunkt, bei dem der Patient über den Verlauf der Operation informiert wird. Die postoperative klinische Evaluation wird durchgeführt und dokumentiert.

Bewusstseinszustand und Vitalparameter

Schläfrigkeit oder Delir?

Die Fähigkeit des Patienten, adäquat auf die Frage nach seinem Befinden zu antworten, gibt schon die erste Rückmeldung zu seinem Bewusstseinszustand und seinen Vitalparametern. Die normale Schläfrigkeit und langsame Reaktion nach der Narkose müssen von einem nicht harmlosen hypodynamischen postoperativen Delir bei älteren Patienten abgegrenzt werden.

Orientierung

Ein wichtiges Differentialkriterium zwischen postoperativem Delir und Schläfrigkeit sind die Antworten auf Fragen zur Orientierung, also zu Raum, Person und Zeit. Auch spezifische Kurzfragebögen stehen hier zur Verfügung.

Kontinuierliches Monitoring bei kritischem Befund bei Vitalparametern und Bewusstsein

Nicht erweckbare oder desorientierte Patienten sowie Patienten mit instabilen Vitalparametern müssen auf eine Überwachungseinheit gebracht werden und ein kontinuierliches Monitoring erhalten.

Schmerzen

Kreislaufstabile und orientierte Patienten werden nach dem Ausmaß der Schmerzen gefragt. Idealerweise wird diese Empfindung in einem Wert auf der Visuellen Analogskala (VAS) oder einer anderen Schmerzskala dokumentiert.
Bei Schmerzangaben in Ruhe über 3 auf der VAS sollte man die Schmerztherapie optimieren.

Verband

Der Verband sollte betrachtet werden, bei fehlendem sichtbarem Sekret wird der Verband belassen. Ist der Verband durchgeblutet oder enthält er andersfarbiges Sekret, sollte der Verband entfernt und die Wunde selbst angeschaut werden. Auch bei geröteter oder geschwollener Wundumgebung wird der Verband entfernt.

Drainage

Die Art und die Menge des Sekrets, das in eventuell eingelegten Drainagen abläuft, sollte erfasst werden. Dieser erste Eindruck sollte in die weiteren Dokumentationsintervalle einfließen. Zur Kontrolle der Drainage gehört auch die Prüfung auf korrekte Fixierung und eventuelle Schmerzen durch die Annaht.

Operationsgebiet

Unmittelbar nach einer Operation ist die Wunde entweder sehr empfindlich oder durch die lokale Betäubung völlig unempfindlich. Die Beurteilung des Operationsgebietes, z.B. des Bauches, sollte daher nur sehr vorsichtig und weit von der Wunde entfernt erfolgen.

Erfahrung des Untersuchers

Ungewöhnliche Befunde sollten immer mit einem erfahrenen Kollegen diskutiert und gemeinsam am Patienten überprüft werden. Eine gezielte Diagnostik kann zusätzlich Klarheit schaffen.

Fazit

Die erste postoperative Untersuchung auf der Normalstation sollte durch einen erfahrenen Chirurgen, idealerweise durch den Operateur selbst, anhand standardisierter Abläufe erfolgen. Einfache Checklisten erleichtern die Durchführung und Dokumentation.

Quelle: Prof. Dr. med. Schwenk, Wolfgang (2017): SOP Initiale postoperative klinische Beurteilung auf der Normalstation, in: Allgemein- und Viszeralchirurgie up2date 11. Jg., Nr. 4, Seite 327-329.